Die meisten Menschen wollen günstigen Wohnraum. Was wirklich gebaut wird ist für viele von ihnen aber nicht leistbar. Darum, so das Argument, sind Neubauten nicht die Lösung für zu hohe Mieten.
Drei Wissenschafterinnen von der New York University sind diesem Argument nachgegangen – und haben die wissenschaftliche Literatur zusammengefasst (Stand 2018, der Link zur Studie).
Hält das Argument?
Nein, nicht wirklich, auch wenn es einen wahren Kern hat.
Der freie Markt sorgt nicht für genügend leistbare Wohnungen für Menschen mit niedrigen Einkommen. Das ist korrekt und deshalb braucht es Förderungen, Wohnbeihilfen und sozialen Wohnbau.
Aber: Wohnungen, die für den freien Markt gebaut werden, senken sehr wohl die Mietpreise für den gesamten Wohnungsmarkt, schreiben die drei. Dafür gibt es sehr gute Evidenz.
Dort, wo es mehr Hürden für Neubauten und deshalb weniger davon gibt, sind die Mietpreise höher. Eine Übersichtsarbeit aus 2015 zeigt, dass dort, wo der Wohnungsmarkt stärker reguliert ist, weniger gebaut wird und die Mietpreise höher sind.
Das Problem ist, dass die Art und Weise, wie freifinanzierte Wohnungen die Mieten senken, auf den ersten Blick nicht intuitiv ist.
Mieten steigen u.a., weil viele Menschen an einem Ort wohnen wollen. Viele Menschen ziehen hin und deshalb wird dort auch mehr gebaut. Die Mieten steigen also oft genau dort, wo viel gebaut wird. Das ist aber Korrelation, nicht Kausalität.
Denn was sich leider nicht mit freiem Auge beobachten lässt: Um wie viel mehr die Mieten gestiegen wären, wenn nicht mehr gebaut worden wäre. Neubauten dämpfen oft die Entwicklung der Mietpreise, senken sie aber nicht.
Wohnungsmärkte sind speziell. Sie funktionieren anders als etwa Märkte für Kartoffeln. Die drei schreiben, dass es in einer Stadt nicht einen Wohnungsmarkt gäbe, sondern dass man sich eher verschiedene Wohnungssubmärkte vorstellen müsse.
Vereinfacht: Einer für Besserverdiener, einer für die Mittelschicht, einer für Menschen mit niedrigen Einkommen. Jeder dieser Märkte hat ein eigenes Angebot an Wohnungen, eine Nachfrage und auch einen eigenen Preis (= Miete).
Wohnungen, die für den freien Markt errichtet werden, sind meistens für Besserverdiener gedacht, weil die Errichtung teuer ist. Mehr Neubauten erhöhen also direkt nur das Angebot an Wohnungen im oberen Segment – und dämpfen dort die Mietpreisentwicklung.
Und was hat jetzt jemand im mittleren oder unteren Wohnungsmarkt davon? Die Märkte sind nicht voneinander getrennt, sondern sie beeinflussen sich gegenseitig.
Stellen wir uns eine Stadt vor, in der keine neuen Wohnungen für Besserverdiener gebaut werden, in der aber mehr Menschen mit guten Einkommen ziehen. Im oberen Wohnungsmarkt steigen also die Mieten stärker, als wenn das Angebot gestiegen wäre. Angebot und Nachfrage eben.
Für manche Gutverdiener wird das zu teuer und sie schauen sich nach leistbareren Wohnungen im mittleren Segment um – und treiben damit auch dort die Preise nach oben.
Mittelfristig sinkt auch das Angebot an „mittleren“ Wohnungen: Denn die höheren Preise für die „guten“ Wohnungen sind ein Anreiz, ältere Wohnungen so zu sanieren, dass man in diesen Markt kommt. Das entzieht also den anderen Segmenten Angebot und lässt den Preis steigen.
Langfristig dämpfen die neuen Wohnungen ebenfalls die Mietpreise. Denn eine Wohnung, die heute neu und hipp ist, ist das in 30 oder 40 Jahren tendenziell nicht mehr. Die heute teuren Wohnungen werden also mit der Zeit auch für untere Einkommensschichten leistbar.
Das gilt natürlich nicht für jede Luxuswohnung, aber allgemein hält das. Das ist nicht nur Theorie, sondern dafür gibt es gute Evidenz durch empirische Studien. Eine zeigt etwa, dass ein Viertel der 2013 für die ärmsten US-Amerikaner leistbaren Wohnungen 30 Jahre zuvor Wohnungen für Bessersituierte waren.
Auch wenn nur Luxus-Wohnungen gebaut werden, profitieren „Normalos“ also davon.
Das heißt aber nicht, dass der freie Markt alles löst. Für die Menschen mit den niedrigsten Einkommen braucht es staatliche Hilfe, damit sie sich das Wohnen leisten können.
In der Studie wird empfohlen: Auflagen für Immobilienentwickler. Wenn sie für den freien Markt bauen, müssen sie gleichzeitig leistbarere Wohnungen errichten. Genau das passiert in Wien.
Am Ende noch ein wichtiger Aspekt: Es ist selbsterklärend, warum es gut ist, dass die Mieten nicht zu hoch sind. Niedrigere Mieten in Ballungszentren vermeiden aber auch andere negative Effekte.
Je höher die Mieten in der Stadt, desto mehr Menschen ziehen aufs Land oder in die Vororte. Das führt zu mehr Verkehr und anderen Umweltschäden. Außerdem gibt es Netzwerkeffekte in Städten, die für unseren Wohlstand gut sind.
Wenn viele schlaue Menschen an einem Ort sind, entsehen meistens gute Dinge. Zieht jemand nicht in eine Stadt, weil sie sich das nicht leisten kann, nimmt das Menschen die Freiheit, ihr Leben so zu leben, wie sie das gerne würden.