Illegale Migration von Mexiko in die USA stärkt Republikaner

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1/🧵 Eine faszinierende Studie von Ernesto Tiburcio und Kara Ross Camarena untersucht die lokale Reaktion auf unautorisierte mexikanische Migration in die USA. Ein Thema, das oft hitzige Debatten auslöst, aber selten mit so detaillierten Daten beleuchtet wird.

2/🧵 Die Studie zeigt, dass negative Reaktionen auf Migration besonders stark ausfallen, wenn die Migrant:innen weniger gut gebildet sind. Mit 11 Millionen Mexikanern in den USA – der weltweit größten Diaspora in einem einzelnen Land – ist dieses Thema hochaktuell.

3/🧵 Interessant ist, dass etwa 40% der mexikanischen Diaspora in den USA keinen regulären Aufenthaltsstatus haben. Diese Gruppe steht im Zentrum der Studie und liefert aufschlussreiche Einblicke.

4/🧵 Die Forscher hatten Zugang zu Daten über die Ausgabe von „consular identification cards“, die von mexikanischen Behörden an wahrscheinlich unautorisierte Mexikaner in den USA ausgegeben werden – eine enorme Datenmenge von 7,4 Millionen Personen von 2002-2020.

5/🧵 Da Personen mit legalem Aufenthaltsstatus in den USA diese Karten nicht benötigen, geben diese Daten einzigartige Einblicke in die Lebensrealität illegaler Migranten.

6/🧵 Bemerkenswert ist der Befund, dass in Gegenden der USA, in denen mehr illegale Migranten leben, tendenziell mehr für die Republikanische Partei gestimmt wird. Dies korrespondiert mit Kürzungen öffentlicher Ausgaben, sinkenden Bildungsausgaben und steigenden Sicherheitsausgaben.

7/🧵 In Gebieten mit höherer Armut und Arbeitslosigkeit scheint die Reaktion auf Migration stärker zu sein. Eine Beobachtung, die wichtige soziale und wirtschaftliche Dynamiken beleuchtet.

8/🧵 Interessanterweise zeigt die Studie, dass in Gegenden, in die mehr Migranten ziehen, auch mehr Weiße wegziehen. Dies könnte auf eine Verschiebung der demografischen Zusammensetzung hindeuten.

9/🧵 In Regionen mit einem stärkeren sozialen Sicherheitsnetz ist die Reaktion auf illegale Migration zwar auch negativ, aber nur halb so stark wie in anderen Gebieten. Dies könnte auf die Pufferwirkung starker sozialer Netze hinweisen.

10/🧵 Diese Studie wirft ein neues Licht auf die Komplexität der Reaktionen auf Migration und zeigt, wie tief sie in lokale sozioökonomische und politische Strukturen eingebettet sind. Ein wichtiger Beitrag zum Verständnis eines globalen Phänomens.

Hier die Studie.

Über den ökonomischen Wert der Bildung

Was bringt Bildung eigentlich aus wirtschaftlichen Sicht? Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Instituts EcoAustria und Professorin an der Seeburg Universität, hat das in einem Artikel beschrieben. Ein paar Punkte, die ich interessant fand:

  • 13-30 Prozent des Wachstums der Arbeitsproduktivität in den USA der vergangenen 40 Jahre lassen sich auf Bildung zurückführen
  • Österreich ist bei PISA nur Durchschnitt. Hätte das Land Leistungen, mit denen es in den Top 5 wäre, wäre die Wirtschaftsleistung langfristig um über 7 Prozent höher
  • Österreich gibt 0,6 Prozent des BIP für Elementarpädagogik aus. Schweden 1,7 Prozent
  • Was hebt das Bildungsniveau einer Bevölkerung? Wettbewerb zwischen Bildungsanbietern, Schulautonomie und die Existenz von standarisierten Leistungstests
  • Besonders externe Leistungsüberprüfungen helfen dabei, die Vorteile der Autonomie zu nutzen. Sie schaffen Anreize, damit die Autonomie im Sinne der Schüler:innen genutzt wird
  • In Österreich wurde die Autonomie bei der Lehrerrekrutierung 2017 gestärkt. Bei den Lerninhalten und in Sachen Lehrergehälter gibt es weiterhin wenig Autonomie
  • In Österreich sind Schulen und Schulklassen im internationalen Vergleich relativ klein. Das ist teuer und bringt für den Bildungserfolg wenig bis gar nichts. Das ist mit ein Grund, warum das österreichische Bildungswesen eines der teuersten der Welt ist bei durchschnittlichem Erfolg
  • Im Elementarbereich und in der Volksschule profitieren die Kinder hingegen stark von kleinen Gruppengrößen
  • Lesekompetenz erklärt fast ein Drittel des Lohnunterschiedes zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund in Österreich
  • Warum sind Reformen in Österreich so schwierig? Viele Veto-Player, Kompetenz-Wirr-Warr, Trennung von Finanzierung und Verantwortung, wenig Anreize für Player zu Reform, Reformen im Elementarbereich wirken über lange Zeit = langweilig für nächste Wahlen, zu wenig Geld in urbanen Problembereichen, teure kleine Schulen

Die großen ökonomischen Vorteile des Hybriden Arbeitens

Macht uns das Arbeiten von zuhause faul und unproduktiv? Das Gegenteil ist der Fall, wie die beiden Ökonomen Nicholas Bloom und Alex Tabarrok argumentieren.

  • Vor der Pandemie wurden 5 Prozent der Arbeitstage in Europa und Nordamerika von zuhause aus bestritten. Jetzt sind es ca. 20 Prozent.
  • In einem Jahrzehnt sind es wohl eher 30 Prozent, weil es immer bessere Technologien dafür gibt und sich die sozialen Normen ändern.
  • Arbeitnehmer:innen sind Profiteure. Wenn sie hybrid arbeiten können ist das für sie in etwa so viel wert wie eine Gehaltserhöhung um 8 Prozent.
  • Arbeitgeber:innen profitieren ebenfalls. Lassen sie hybrides Arbeiten zu sinkt die Mitarbeiter-Fluktuation um 30-50 Prozent. Sie sparen sich Bürokosten und ihre Auswahl an potenziellen Mitarbeiter:innen vervielfacht sich.
  • Zuhause zu arbeiten hat wahrscheinlich die Arbeitsproduktivität in den USA erhöht. Vor der Pandemie stieg sie um 1,2 Prozent pro Jahr, seit der Pandemie um 1,5 Prozent.
  • Aber ist nicht das Gegenteil der Fall? Wer die ganze Zeit zuhause arbeitet hat wohl eine niedrigere Produktivität. Hybrides Arbeiten erhöht die Produktivität eher.
  • Auch wenn die Arbeitsproduktivität bei 100% Arbeit von zuhause sinkt kann die allgemeine Produktivität dadurch steigen, weil Büro- und Transportkosten gespart werden.
  • Die Gesellschaft gewinnt, weil mehr Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können.
  • Die Umwelt gewinnt, weil dadurch schon bisher 50 Milliarden Meilen weniger gependelt werden.

Lest hier den ganzen Text von Nicholas Bloom für den Economist.

Mütter & Antidepressiva: Die psychische Belastung des ersten Kindes

Ein Kind zu bekommen ist für viele das schönste Ereignis im ganzen Leben. Es ist aber auch Stress, Druck, Überforderung. Die große psychische Belastung zeigt jetzt eine neue Studie. Mama und Papa zu werden erhöht die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva zu nehmen, stark.

Neun Jahre nach der Geburt des ersten Kindes ist die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva zu nehmen, bei Frauen um fünf Prozentpunkte höher. Bei Männern ist sie um 2,1 Prozentpunkte höher. Das liegt wohl daran, dass Frauen sich im Schnitt mehr um die Kinder kümmern als Männer.

In Dänemark sind die Effekte niedriger, aber auch vorhanden. Bei Frauen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva verschrieben zu bekommen, mit dem ersten Kind um 2,8 Prozentpunkte, bei Männern um 0,8 Prozentpunkte. In Österreich ist die Differenz zwischen Mann und Frau 0,8 Prozentpunkte höher als in Dänemark.

Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern liegen, so die Autoren, NICHT an der postnatalen Depression … … und auch nicht daran, dass Männer nicht zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Sondern daran, dass Mütter die größere Last der Kindererziehung & Mental Load übernehmen.

Um den Stress von Eltern zu nehmen könnte man jetzt sagen: Lasst ihnen eine längere Karenzzeit. Aber die Evidenz legt nahe, dass das kontraproduktiv ist und die Verschreibung von Antidepressiv erhöht! Dafür gibt es sogar ein natürliches Experiment: Österreichs Reform aus 2000.

Die Karenzzeit wurde damals von 18 auf 30 Monate erhöht. Im Schnitt nahmen Frauen danach 9 Monate mehr Karenz als Männer. Die Verschreibung von Antidepressiva stieg durch die Reform an. 1 Jahr mehr Karenz sorgt im Schnitt für 0,6-0,8 mehr Jahre mit Antidepressiva (enorm!).

Eine potenzielle Erklärung, so schreiben die Autoren: Länger in Karenz zu sein verstärkt womöglich traditionelle Gender-Rollen. Die Mutter bleibt dann stärker darin verhaftet, zu einem Großteil für die Kinder verantwortlich zu sein. Das erhöht den Stress & macht manche krank.

Dass es da nicht „nur“ um postnatale Depressionen ein paar Monate nach der Geburt geht zeigt Dänemark. Hier gibt es gute langfristige Daten. Auch 20 Jahre nach der Geburt ist der Effekt noch deutlich zu sehen und steigt sogar weiter an. Aber nur bei Müttern, bei Vätern nicht.

Hier die Studie:

Wichtige Bemerkung der Autoren: Sie beschäftigen sich nur mit den negativen Effekten des 1. Kindes auf psychische Krankheiten der Eltern. Auf Freude & Erfüllung, die damit einhergehen, sind sie nicht Fokus der Studie.

Ob Menschen mit Kindern im Schnitt glücklicher sind als Menschen ohne Kinder würde mich interessieren. Habe dazu u.a. diese Studie gefunden, aber noch nicht gelesen: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24491021/

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Noch ein paar Side facts aus der Studie: Die durchschnittliche mentale Gesundheit in Österreich liegt bei 67.5 (0 = schlecht, 100 = gut). In Dänemark bei 71.3 15 Prozent sagen, sie suchten die vergangenen 12 Monate Hilfe bei psychologischen Problemen In DEN: 17%

In Österreich & Dänemark gibt es pro Jahr etwa 7 Suizide unter 100.000 Frauen. Bei Männern sind es in Österreich 24.1, in Dänemark 19.6 Suizide pro 100.000.

Frauen im Alter von 25-54 sind in Österreich zu 85,1 Prozent erwerbstätig. In Dänemark sind es 82,9 Prozent. Der Teilzeitanteil in Österreich ist aber deutlich höher als in Dänemark. In Österreich dauert die Karenz bis zu 35 Monate, in Dänemark nur 8 Monate.

Und wenig überraschend haben in Österreich viel mehr Menschen ein konservatives Familienbild. 35% der Männer in Österreich sagen, eine arbeitende Mama kann eine gute Beziehung zum Kind haben. In Dänemark sind es 61 Prozent der Männer.

25-27% in Österreich sagen, dass ein Kind darunter leidet, wenn es im Vorschulalter nicht zuhause ist. In Dänemark sagen das nur 6 Prozent der Leute. 24-26 Prozent in Österreich sagen, dass Familienleben leidet darunter, wenn die Mutter arbeitet. In Dänemark sagen das 8%

Frauen werden am Arbeitsmarkt „abgestraft“, wenn sie Kinder bekommen. Aber nicht überall gleich

Wenn eine Frau in Österreich ein Kind bekommt, arbeitet sie ein Jahr danach 50 Prozent weniger als zuvor – und zehn Jahre später noch immer 34 Prozent. Männer arbeiten nach der Geburt eines Kindes sogar ein bisschen mehr als zuvor. Das ist die wichtigste Erklärung für den Pay Gap.

Das sagt Henrik Kleven von der Universität Princeton, der führend zu „Child penalties“ forscht. Der Child penalty misst, wie viel Einkommen und Arbeitsstunden es eine Person kostet, wenn sie Vater oder Mutter wird. Für Väter ist die Pönale nichtexistent. Warum?

Argument 1: Nur Mütter können stillen und ein Baby zur Welt bringen – es ist die Biologie! Falsch. Das erklärt vielleicht Jahr 1, aber nicht Jahr 10. Es erklärt auch nicht die großen Unterschiede zwischen Ländern. Und Evidenz von Adoptiveltern widerspricht dem ebenso.

Argument 2: Fürs Familieneinkommen ist es besser, wenn einer Karriere macht – Arbeitsteilung! Das ist in vielen Fällen der Fall. Aber die Evidenz widerspricht, dass das entscheidend ist. Denn: Auch Frauen, die mehr verdienen könnten als ihre Partner, haben hohe Pönalen.

Argument 3: Die politischen Rahmenbedingungen sind entscheidend – Kinderbetreuung, Familiengeld etc. Hier darf Österreich herhalten um zu zeigen, dass das keine so große Rolle spielt. Karenzgeld und Kinderbetreuung wurden massiv ausgebaut = de facto keinen Effekt auf Pönale!

Argument 4: Es sind die sozialen Normen. Tradition. So macht man das. War schon immer so. Bingo! Dafür gibt es sehr gute und überzeugende Evidenz über viele Länder hinweg. Kleven hat natürliche Experimente untersucht. Nämlich …

… Migration: In manchen Teilen der USA ist die Kinderpönale viel höher als in anderen. Wer jetzt aus Utah oder Idaho (hohe Pönale) nach Rhode Island (niedrige Pönale) hat trotzdem weiter eine sehr hohe Pönale. Was nimmt die Person mit? Ihre Kultur. Einstellungen. Werte.

Das zeigt sich auch bei Migranten. Wer aus Mexiko, dem Nahen Osten oder Zentraleuropa (hohe Pönale) in die USA zieht nimmt die hohen Pönalen mit. In der ersten Generation arbeiten Mexikanerinnen trotzdem weiter sehr wenig und verdienen wenig, wenn sie ein Kind bekommen.

Wer aus einem Land mit niedriger Kinderpönale in die USA migriert – etwa aus China oder Skandinavien – nimmt auch diese niedrige Kinderpönale mit. Heißt: Eine Dänin verliert auch in den USA relativ zu ihrem Mann nicht so viel Einkommen – und eine Frau aus Mexiko eben schon.

Österreich ist was Familien und Gender Normen entspricht ein recht konservatives Land, wie etwa der Vergleich mit Dänemark zeigt.

Hier noch weitere europäische Länder.

In China gibt es nur drei Jahre nach der Geburt keinen negativen Effekt auf das Einkommen und Arbeitszeit der Frau relativ zum Mann.

Hier der Link zu den Studien: https://nber.org/reporter/2022number4/child-penalties-and-gender-inequality#return-5

Eine Datensammlung zu Child penalties rund um die Welt gibt es im „Child Penalty Atlas“: https://www.nber.org/papers/w31649

Am linken Rand wird die Welt unrealistisch pessimistisch gesehen – überall sonst aber eh auch

Steven Pinker sagt, Progressive fokussieren sich so sehr auf das Leid der Menschen, dass sie den Blick für positive Entwicklungen verlieren.

Diese Studie von @PTetlock bestätigt das für die USA.

Am äußeren linken Rand wird die Welt sehr unrealistisch pessimistisch eingestuft.

Aber nicht nur Linksaußen ist man besonders negativ eingestellt, was die Entwicklung der USA betrifft.

Über das gesamte politische Spektrum besitzen die Menschen der Studien zufolge zu pessimistische Einschätzungen zur Entwicklung des Landes.

Es sind heute viel weniger Menschen in den USA im Gefängnis als vor einiger Zeit.

Bei POC sind es sogar 35 Prozent weniger 2006-18. Bei Hispanics -25%, bei Weißen -15%.

Das hat aber kaum wer bemerkt, wie eine Befragung zeigt.

Die Zahl der Geburten von Teenagern im Alter von 15 bis 19 sank um 30 Prozent 2000-18.

Die meisten denken, sie ist gestiegen.

Die High School Drop Out Rate sank um 5 Prozent.

Die meisten sagten, sie stieg um 5 Prozent.

Die Armutsrate ist in nur zehn Jahren um 5 Prozent gesunken.

Die meisten sagten, sie stieg um 5 Prozent.

Bei schwarzen Familien sank sie um 9 Prozent.

Die meisten dachten, sie stieg um 9 Prozent.

Alle Amerikaner leiden, schreiben die Autoren, unter „Fortschrittsphobie“.

So wie Pinker das beschrieb.

Übrigens auch die, die fast gar keine Nachrichten verfolgen.

Dass wir Medien daran den Großteil verschulden ist trotz unseres Negativity bias also unwahrscheinlich.

Es ist wohl eher so, dass der Mensch rein neurologisch zur Nostalgie neigt.

Was die jüngste Vergangenheit betrifft merken wir uns, so eine Theorie, eher negative Ereignisse.

Wenn wir an länger zurückliegende Ereignisse denken, erinnern wir uns vor allem an das Positive.

Hier die Studie: Are Progressives in Denial About Progress? Yes, but So Is Almost Everyone Else

Mehr Ausländer, weniger Sozialstaat? Warum das nicht so einfach ist, wie es klingt

Führt die gestiegene Migration nach Westeuropa dazu, dass weniger Menschen einen gut ausgebauten Sozialstaat befürworten?

Zugespitzt: Wenn „der Ausländer“ auch Mindestsicherung, kostenlose Arzt-Besuche und Familienbeihilfe bekommt, wollen dann mehr Menschen diese Leistungen wieder kürzen?

Was der Stand der Forschung dazu ist, damit beschäftigen sich Charlotte Cavaillé (University of Michigan) and Karine Van der Straeten (Toulouse School of Economics) in einer neuen Studie (Immigration and Support for Redistribution: Lessons from Europe).

Vor allem der Blick über den Atlantik prägt unsere Vorstellung davon, dass ethnisch diverse Länder weniger solidarisch sind als ethnisch homogenere.

Denn die USA sind eines der reichsten Länder der Welt. Deutlich reicher als etwa Österreich. Trotzdem grassiert dort die Armut, weil der Sozialstaat kaum ausgebaut ist. Warum ist das so? Alesina und Glaeser 2004 argumentieren: Weil die USA ethnisch so divers sind.

Ihre Hypothese:

Menschen unterstützen andere nicht nur aus egoistischen, sondern aus altruistischen Motiven. Ein egoistischer Grund wäre: Wenn Ärmere keine Hilfen bekommen gibt es soziale Unruhen. Ein altruistischer Grund: Kein Mensch soll unverhältnismäßig Leid erfahren.

Dieser Altruismus existiert in der Lesart von Alesina und Glaeser nur für Menschen, die als Teil der eigenen Gruppe betrachtet werden. Je kulturell & ethnisch diverser, desto weniger Solidarität.

In den vergangenen Jahrzehnten sind immer mehr Menschen, die nicht weiß und christlichen Glaubens sind, nach Europa migriert. Weil unter ihnen die Armuts- und Arbeitslosenquote höher ist, könnte das den Sozialstaat in europäischen Ländern gefährden, argumentieren viele.

In der Tat gibt es einen klaren Zusammenhang:

Je negativer Menschen in Deutschland, Schweden, Frankreich und Großbritannien Migration sehen, desto weniger sind sie dafür, dass der Staat den Lebensstandard von Arbeitslosen sichern sollte.

Mit ihrer Unterstützung für generelle staatliche Umverteilung zum Ausgleich von Ungleichheiten gibt es aber keine Korrelation.

Soroka 2016 dokumentiert, dass in Ländern und in Jahren, in denen Migration höher ist, die Leistungen für Arbeitslose weniger stark steigen. Das betrifft andere Sozialleistungen, von denen mehr Autochthone profitieren, nicht.

In den USA hat Alesina 2020 dokumentiert, dass in Staaten mit mehr People of Color weniger Menschen für Umverteilung sind. Für die USA ist von Tabellini 2020 dokumentiert, dass hohe Migration, die konzentriert auf kurze Zeit passiert, dazu führt, dass der Staat weniger Geld verteilt.

Aber gilt das auch für Europa?

Für Schweden gibt es dazu gute Daten. In den 1980er und 1990er Jahren wurden viele Flüchtlinge im Land verteilt. An Orten, wo von nun an viele Flüchtlinge wohnten, sank die Unterstützung der Bevölkerung für Umverteilung (Dahlberg 2012).

Das betraf aber nur Menschen, die wirtschaftlich abgesichert, also wohlhabend, waren.

Note that in Great Britain, during the period of declining support for means-tested benefits, agreement that it is “the responsibility of the government to reduce income differences between the rich and the poor” remained stable at around 70 percent. In contrast, agreement that it is “the responsibility of the government to provide a decent standard of living for the unemployed” dropped from 85 percent in 1985 to 60 percent in 2016

Ist die „Amerikanisierungs-These“ also korrekt?

Führt Migration dazu, dass in Westeuropa weniger Menschen für den Sozialstaat und Umverteilung sind?

Die Evidenz ist gemischt. Viel wichtiger, ob jemand als Teil der eigenen Gruppe gesehen wird („weiß“, „christlich“) ist in der Lesart der Studie von Cavaillé und Van der Straeten, ob man das Gefühl hat, dass die Person dem Staat auf der Tasche liegt – oder sie sich anstrengt und einen Beitrag leistet. Dann ist Gruppenzugehörigkeit gar nicht mehr so wichtig:

These results suggest that group boundaries are porous: a few years living and working in a country is often enough for a non-White Muslim immigrant to be treated in a hypothetical experimental context as if a native with similar job history.

In Österreich gibt es im europäischen Vergleich besonders viele Menschen, die der Meinung sind, dass Migranten nie die selben Rechte im Sozialstaat bekommen sollten wie hier geborene Menschen.

Wichtig zu unterscheiden ist: In den USA gab es hohe Diversität, bevor ein Sozialstaat hätte existieren können. In Europa war der Sozialstaat schon mindestens zwei Jahrzehnte alt, bevor es nennenswerte Migrationsbewegungen nicht-weißer, nicht-christlicher Menschen gab.

Das macht einen großen Unterschied: Denn wer durch das öffentliche Gesundheits- und Bildungssystem bereits stark profitiert hat und ihm vielleicht sogar seinen gesellschaftlichen Rang verdankt, der unterstützt den Sozialstaat viel eher, auch wenn die Migration steigt.

Noch ein Grund, warum der Vergleich nicht so einfach ist: In den USA sind Sozialleistungen viel häufiger auf Ärmere zugeschnitten. Wohlhabendere Menschen haben dadurch weniger Anreiz, Sozialleistungen zu unterstützen. In Europa, wo mehr Leistungen unabhängig vom Einkommen der Bezieher:innen verteilt werden, verliert die Mittelschicht viel eher auch selbst durch Kürzungen.

Findet nun durch stark gestiegene Migration eine Amerikanisierung Westeuropas statt in dem Sinne, dass der Sozialstaat weniger Unterstützung erfährt?

In den USA sind weiße Bürger:innen mit niedrigen Einkommen gegen den Sozialstaat, obwohl sie selbst davon profitieren würden. Quasi: Hauptsache People of Color bekommen nichts. Hier ist die Evidenz klar: Je diverser, desto weniger Sozialstaat.

In Westeuropa passiert das nicht: Rechtsaußen-Parteien in Frankreich, Großbritannien und Österreich unterstützen den Sozialstaat, versuchen aber Migrant:innen davon auszuschließen. Hohe Migration untergräbt hier also nicht den Sozialstaat, führt aber zu Wohlfahrtschauvinismus.

Während Rechtsaußen-Parteien in den 1980er Jahren oft den Sozialstaat beschneiden wollten, haben sie sich mit ihrer steigenden Beliebtheit heute darauf konzentriert, dass möglichst wenig Menschen, die sie nicht als Teil ihrer eigenen Gruppe sehen, davon profitieren.

Der Zeitpunkt der Migration macht also einen großen Unterschied, wie Migration auf einen Sozialstaat wirkt:

Ist ein Sozialstaat erst einmal eingeführt, gibt es häufig zu viele Menschen, die davon profitieren, dass er so nebenbei wieder abgeschafft werden könnte.

Senken Luxuswohnungen die Mieten für Normalverdiener? (Ja.)

Die meisten Menschen wollen günstigen Wohnraum. Was wirklich gebaut wird ist für viele von ihnen aber nicht leistbar. Darum, so das Argument, sind Neubauten nicht die Lösung für zu hohe Mieten.

Drei Wissenschafterinnen von der New York University sind diesem Argument nachgegangen – und haben die wissenschaftliche Literatur zusammengefasst (Stand 2018, der Link zur Studie).

Hält das Argument?

Nein, nicht wirklich, auch wenn es einen wahren Kern hat.

Der freie Markt sorgt nicht für genügend leistbare Wohnungen für Menschen mit niedrigen Einkommen. Das ist korrekt und deshalb braucht es Förderungen, Wohnbeihilfen und sozialen Wohnbau.

Aber: Wohnungen, die für den freien Markt gebaut werden, senken sehr wohl die Mietpreise für den gesamten Wohnungsmarkt, schreiben die drei. Dafür gibt es sehr gute Evidenz.

Dort, wo es mehr Hürden für Neubauten und deshalb weniger davon gibt, sind die Mietpreise höher. Eine Übersichtsarbeit aus 2015 zeigt, dass dort, wo der Wohnungsmarkt stärker reguliert ist, weniger gebaut wird und die Mietpreise höher sind.

Das Problem ist, dass die Art und Weise, wie freifinanzierte Wohnungen die Mieten senken, auf den ersten Blick nicht intuitiv ist.

Mieten steigen u.a., weil viele Menschen an einem Ort wohnen wollen. Viele Menschen ziehen hin und deshalb wird dort auch mehr gebaut. Die Mieten steigen also oft genau dort, wo viel gebaut wird. Das ist aber Korrelation, nicht Kausalität.

Denn was sich leider nicht mit freiem Auge beobachten lässt: Um wie viel mehr die Mieten gestiegen wären, wenn nicht mehr gebaut worden wäre. Neubauten dämpfen oft die Entwicklung der Mietpreise, senken sie aber nicht.

Wohnungsmärkte sind speziell. Sie funktionieren anders als etwa Märkte für Kartoffeln. Die drei schreiben, dass es in einer Stadt nicht einen Wohnungsmarkt gäbe, sondern dass man sich eher verschiedene Wohnungssubmärkte vorstellen müsse.

Vereinfacht: Einer für Besserverdiener, einer für die Mittelschicht, einer für Menschen mit niedrigen Einkommen. Jeder dieser Märkte hat ein eigenes Angebot an Wohnungen, eine Nachfrage und auch einen eigenen Preis (= Miete).

Wohnungen, die für den freien Markt errichtet werden, sind meistens für Besserverdiener gedacht, weil die Errichtung teuer ist. Mehr Neubauten erhöhen also direkt nur das Angebot an Wohnungen im oberen Segment – und dämpfen dort die Mietpreisentwicklung.

Und was hat jetzt jemand im mittleren oder unteren Wohnungsmarkt davon? Die Märkte sind nicht voneinander getrennt, sondern sie beeinflussen sich gegenseitig.

Stellen wir uns eine Stadt vor, in der keine neuen Wohnungen für Besserverdiener gebaut werden, in der aber mehr Menschen mit guten Einkommen ziehen. Im oberen Wohnungsmarkt steigen also die Mieten stärker, als wenn das Angebot gestiegen wäre. Angebot und Nachfrage eben.

Für manche Gutverdiener wird das zu teuer und sie schauen sich nach leistbareren Wohnungen im mittleren Segment um – und treiben damit auch dort die Preise nach oben.

Mittelfristig sinkt auch das Angebot an „mittleren“ Wohnungen: Denn die höheren Preise für die „guten“ Wohnungen sind ein Anreiz, ältere Wohnungen so zu sanieren, dass man in diesen Markt kommt. Das entzieht also den anderen Segmenten Angebot und lässt den Preis steigen.

Langfristig dämpfen die neuen Wohnungen ebenfalls die Mietpreise. Denn eine Wohnung, die heute neu und hipp ist, ist das in 30 oder 40 Jahren tendenziell nicht mehr. Die heute teuren Wohnungen werden also mit der Zeit auch für untere Einkommensschichten leistbar.

Das gilt natürlich nicht für jede Luxuswohnung, aber allgemein hält das. Das ist nicht nur Theorie, sondern dafür gibt es gute Evidenz durch empirische Studien. Eine zeigt etwa, dass ein Viertel der 2013 für die ärmsten US-Amerikaner leistbaren Wohnungen 30 Jahre zuvor Wohnungen für Bessersituierte waren.

Auch wenn nur Luxus-Wohnungen gebaut werden, profitieren „Normalos“ also davon.

Das heißt aber nicht, dass der freie Markt alles löst. Für die Menschen mit den niedrigsten Einkommen braucht es staatliche Hilfe, damit sie sich das Wohnen leisten können.

In der Studie wird empfohlen: Auflagen für Immobilienentwickler. Wenn sie für den freien Markt bauen, müssen sie gleichzeitig leistbarere Wohnungen errichten. Genau das passiert in Wien.

Am Ende noch ein wichtiger Aspekt: Es ist selbsterklärend, warum es gut ist, dass die Mieten nicht zu hoch sind. Niedrigere Mieten in Ballungszentren vermeiden aber auch andere negative Effekte.

Je höher die Mieten in der Stadt, desto mehr Menschen ziehen aufs Land oder in die Vororte. Das führt zu mehr Verkehr und anderen Umweltschäden. Außerdem gibt es Netzwerkeffekte in Städten, die für unseren Wohlstand gut sind.

Wenn viele schlaue Menschen an einem Ort sind, entsehen meistens gute Dinge. Zieht jemand nicht in eine Stadt, weil sie sich das nicht leisten kann, nimmt das Menschen die Freiheit, ihr Leben so zu leben, wie sie das gerne würden.