Die großen ökonomischen Vorteile des Hybriden Arbeitens

Macht uns das Arbeiten von zuhause faul und unproduktiv? Das Gegenteil ist der Fall, wie die beiden Ökonomen Nicholas Bloom und Alex Tabarrok argumentieren.

  • Vor der Pandemie wurden 5 Prozent der Arbeitstage in Europa und Nordamerika von zuhause aus bestritten. Jetzt sind es ca. 20 Prozent.
  • In einem Jahrzehnt sind es wohl eher 30 Prozent, weil es immer bessere Technologien dafür gibt und sich die sozialen Normen ändern.
  • Arbeitnehmer:innen sind Profiteure. Wenn sie hybrid arbeiten können ist das für sie in etwa so viel wert wie eine Gehaltserhöhung um 8 Prozent.
  • Arbeitgeber:innen profitieren ebenfalls. Lassen sie hybrides Arbeiten zu sinkt die Mitarbeiter-Fluktuation um 30-50 Prozent. Sie sparen sich Bürokosten und ihre Auswahl an potenziellen Mitarbeiter:innen vervielfacht sich.
  • Zuhause zu arbeiten hat wahrscheinlich die Arbeitsproduktivität in den USA erhöht. Vor der Pandemie stieg sie um 1,2 Prozent pro Jahr, seit der Pandemie um 1,5 Prozent.
  • Aber ist nicht das Gegenteil der Fall? Wer die ganze Zeit zuhause arbeitet hat wohl eine niedrigere Produktivität. Hybrides Arbeiten erhöht die Produktivität eher.
  • Auch wenn die Arbeitsproduktivität bei 100% Arbeit von zuhause sinkt kann die allgemeine Produktivität dadurch steigen, weil Büro- und Transportkosten gespart werden.
  • Die Gesellschaft gewinnt, weil mehr Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können.
  • Die Umwelt gewinnt, weil dadurch schon bisher 50 Milliarden Meilen weniger gependelt werden.

Lest hier den ganzen Text von Nicholas Bloom für den Economist.

Mütter & Antidepressiva: Die psychische Belastung des ersten Kindes

Ein Kind zu bekommen ist für viele das schönste Ereignis im ganzen Leben. Es ist aber auch Stress, Druck, Überforderung. Die große psychische Belastung zeigt jetzt eine neue Studie. Mama und Papa zu werden erhöht die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva zu nehmen, stark.

Neun Jahre nach der Geburt des ersten Kindes ist die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva zu nehmen, bei Frauen um fünf Prozentpunkte höher. Bei Männern ist sie um 2,1 Prozentpunkte höher. Das liegt wohl daran, dass Frauen sich im Schnitt mehr um die Kinder kümmern als Männer.

In Dänemark sind die Effekte niedriger, aber auch vorhanden. Bei Frauen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva verschrieben zu bekommen, mit dem ersten Kind um 2,8 Prozentpunkte, bei Männern um 0,8 Prozentpunkte. In Österreich ist die Differenz zwischen Mann und Frau 0,8 Prozentpunkte höher als in Dänemark.

Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern liegen, so die Autoren, NICHT an der postnatalen Depression … … und auch nicht daran, dass Männer nicht zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Sondern daran, dass Mütter die größere Last der Kindererziehung & Mental Load übernehmen.

Um den Stress von Eltern zu nehmen könnte man jetzt sagen: Lasst ihnen eine längere Karenzzeit. Aber die Evidenz legt nahe, dass das kontraproduktiv ist und die Verschreibung von Antidepressiv erhöht! Dafür gibt es sogar ein natürliches Experiment: Österreichs Reform aus 2000.

Die Karenzzeit wurde damals von 18 auf 30 Monate erhöht. Im Schnitt nahmen Frauen danach 9 Monate mehr Karenz als Männer. Die Verschreibung von Antidepressiva stieg durch die Reform an. 1 Jahr mehr Karenz sorgt im Schnitt für 0,6-0,8 mehr Jahre mit Antidepressiva (enorm!).

Eine potenzielle Erklärung, so schreiben die Autoren: Länger in Karenz zu sein verstärkt womöglich traditionelle Gender-Rollen. Die Mutter bleibt dann stärker darin verhaftet, zu einem Großteil für die Kinder verantwortlich zu sein. Das erhöht den Stress & macht manche krank.

Dass es da nicht „nur“ um postnatale Depressionen ein paar Monate nach der Geburt geht zeigt Dänemark. Hier gibt es gute langfristige Daten. Auch 20 Jahre nach der Geburt ist der Effekt noch deutlich zu sehen und steigt sogar weiter an. Aber nur bei Müttern, bei Vätern nicht.

Hier die Studie:

Wichtige Bemerkung der Autoren: Sie beschäftigen sich nur mit den negativen Effekten des 1. Kindes auf psychische Krankheiten der Eltern. Auf Freude & Erfüllung, die damit einhergehen, sind sie nicht Fokus der Studie.

Ob Menschen mit Kindern im Schnitt glücklicher sind als Menschen ohne Kinder würde mich interessieren. Habe dazu u.a. diese Studie gefunden, aber noch nicht gelesen: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24491021/

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Noch ein paar Side facts aus der Studie: Die durchschnittliche mentale Gesundheit in Österreich liegt bei 67.5 (0 = schlecht, 100 = gut). In Dänemark bei 71.3 15 Prozent sagen, sie suchten die vergangenen 12 Monate Hilfe bei psychologischen Problemen In DEN: 17%

In Österreich & Dänemark gibt es pro Jahr etwa 7 Suizide unter 100.000 Frauen. Bei Männern sind es in Österreich 24.1, in Dänemark 19.6 Suizide pro 100.000.

Frauen im Alter von 25-54 sind in Österreich zu 85,1 Prozent erwerbstätig. In Dänemark sind es 82,9 Prozent. Der Teilzeitanteil in Österreich ist aber deutlich höher als in Dänemark. In Österreich dauert die Karenz bis zu 35 Monate, in Dänemark nur 8 Monate.

Und wenig überraschend haben in Österreich viel mehr Menschen ein konservatives Familienbild. 35% der Männer in Österreich sagen, eine arbeitende Mama kann eine gute Beziehung zum Kind haben. In Dänemark sind es 61 Prozent der Männer.

25-27% in Österreich sagen, dass ein Kind darunter leidet, wenn es im Vorschulalter nicht zuhause ist. In Dänemark sagen das nur 6 Prozent der Leute. 24-26 Prozent in Österreich sagen, dass Familienleben leidet darunter, wenn die Mutter arbeitet. In Dänemark sagen das 8%

Frauen werden am Arbeitsmarkt „abgestraft“, wenn sie Kinder bekommen. Aber nicht überall gleich

Wenn eine Frau in Österreich ein Kind bekommt, arbeitet sie ein Jahr danach 50 Prozent weniger als zuvor – und zehn Jahre später noch immer 34 Prozent. Männer arbeiten nach der Geburt eines Kindes sogar ein bisschen mehr als zuvor. Das ist die wichtigste Erklärung für den Pay Gap.

Das sagt Henrik Kleven von der Universität Princeton, der führend zu „Child penalties“ forscht. Der Child penalty misst, wie viel Einkommen und Arbeitsstunden es eine Person kostet, wenn sie Vater oder Mutter wird. Für Väter ist die Pönale nichtexistent. Warum?

Argument 1: Nur Mütter können stillen und ein Baby zur Welt bringen – es ist die Biologie! Falsch. Das erklärt vielleicht Jahr 1, aber nicht Jahr 10. Es erklärt auch nicht die großen Unterschiede zwischen Ländern. Und Evidenz von Adoptiveltern widerspricht dem ebenso.

Argument 2: Fürs Familieneinkommen ist es besser, wenn einer Karriere macht – Arbeitsteilung! Das ist in vielen Fällen der Fall. Aber die Evidenz widerspricht, dass das entscheidend ist. Denn: Auch Frauen, die mehr verdienen könnten als ihre Partner, haben hohe Pönalen.

Argument 3: Die politischen Rahmenbedingungen sind entscheidend – Kinderbetreuung, Familiengeld etc. Hier darf Österreich herhalten um zu zeigen, dass das keine so große Rolle spielt. Karenzgeld und Kinderbetreuung wurden massiv ausgebaut = de facto keinen Effekt auf Pönale!

Argument 4: Es sind die sozialen Normen. Tradition. So macht man das. War schon immer so. Bingo! Dafür gibt es sehr gute und überzeugende Evidenz über viele Länder hinweg. Kleven hat natürliche Experimente untersucht. Nämlich …

… Migration: In manchen Teilen der USA ist die Kinderpönale viel höher als in anderen. Wer jetzt aus Utah oder Idaho (hohe Pönale) nach Rhode Island (niedrige Pönale) hat trotzdem weiter eine sehr hohe Pönale. Was nimmt die Person mit? Ihre Kultur. Einstellungen. Werte.

Das zeigt sich auch bei Migranten. Wer aus Mexiko, dem Nahen Osten oder Zentraleuropa (hohe Pönale) in die USA zieht nimmt die hohen Pönalen mit. In der ersten Generation arbeiten Mexikanerinnen trotzdem weiter sehr wenig und verdienen wenig, wenn sie ein Kind bekommen.

Wer aus einem Land mit niedriger Kinderpönale in die USA migriert – etwa aus China oder Skandinavien – nimmt auch diese niedrige Kinderpönale mit. Heißt: Eine Dänin verliert auch in den USA relativ zu ihrem Mann nicht so viel Einkommen – und eine Frau aus Mexiko eben schon.

Österreich ist was Familien und Gender Normen entspricht ein recht konservatives Land, wie etwa der Vergleich mit Dänemark zeigt.

Hier noch weitere europäische Länder.

In China gibt es nur drei Jahre nach der Geburt keinen negativen Effekt auf das Einkommen und Arbeitszeit der Frau relativ zum Mann.

Hier der Link zu den Studien: https://nber.org/reporter/2022number4/child-penalties-and-gender-inequality#return-5

Eine Datensammlung zu Child penalties rund um die Welt gibt es im „Child Penalty Atlas“: https://www.nber.org/papers/w31649

Am linken Rand wird die Welt unrealistisch pessimistisch gesehen – überall sonst aber eh auch

Steven Pinker sagt, Progressive fokussieren sich so sehr auf das Leid der Menschen, dass sie den Blick für positive Entwicklungen verlieren.

Diese Studie von @PTetlock bestätigt das für die USA.

Am äußeren linken Rand wird die Welt sehr unrealistisch pessimistisch eingestuft.

Aber nicht nur Linksaußen ist man besonders negativ eingestellt, was die Entwicklung der USA betrifft.

Über das gesamte politische Spektrum besitzen die Menschen der Studien zufolge zu pessimistische Einschätzungen zur Entwicklung des Landes.

Es sind heute viel weniger Menschen in den USA im Gefängnis als vor einiger Zeit.

Bei POC sind es sogar 35 Prozent weniger 2006-18. Bei Hispanics -25%, bei Weißen -15%.

Das hat aber kaum wer bemerkt, wie eine Befragung zeigt.

Die Zahl der Geburten von Teenagern im Alter von 15 bis 19 sank um 30 Prozent 2000-18.

Die meisten denken, sie ist gestiegen.

Die High School Drop Out Rate sank um 5 Prozent.

Die meisten sagten, sie stieg um 5 Prozent.

Die Armutsrate ist in nur zehn Jahren um 5 Prozent gesunken.

Die meisten sagten, sie stieg um 5 Prozent.

Bei schwarzen Familien sank sie um 9 Prozent.

Die meisten dachten, sie stieg um 9 Prozent.

Alle Amerikaner leiden, schreiben die Autoren, unter „Fortschrittsphobie“.

So wie Pinker das beschrieb.

Übrigens auch die, die fast gar keine Nachrichten verfolgen.

Dass wir Medien daran den Großteil verschulden ist trotz unseres Negativity bias also unwahrscheinlich.

Es ist wohl eher so, dass der Mensch rein neurologisch zur Nostalgie neigt.

Was die jüngste Vergangenheit betrifft merken wir uns, so eine Theorie, eher negative Ereignisse.

Wenn wir an länger zurückliegende Ereignisse denken, erinnern wir uns vor allem an das Positive.

Hier die Studie: Are Progressives in Denial About Progress? Yes, but So Is Almost Everyone Else

Mehr Ausländer, weniger Sozialstaat? Warum das nicht so einfach ist, wie es klingt

Führt die gestiegene Migration nach Westeuropa dazu, dass weniger Menschen einen gut ausgebauten Sozialstaat befürworten?

Zugespitzt: Wenn „der Ausländer“ auch Mindestsicherung, kostenlose Arzt-Besuche und Familienbeihilfe bekommt, wollen dann mehr Menschen diese Leistungen wieder kürzen?

Was der Stand der Forschung dazu ist, damit beschäftigen sich Charlotte Cavaillé (University of Michigan) and Karine Van der Straeten (Toulouse School of Economics) in einer neuen Studie (Immigration and Support for Redistribution: Lessons from Europe).

Vor allem der Blick über den Atlantik prägt unsere Vorstellung davon, dass ethnisch diverse Länder weniger solidarisch sind als ethnisch homogenere.

Denn die USA sind eines der reichsten Länder der Welt. Deutlich reicher als etwa Österreich. Trotzdem grassiert dort die Armut, weil der Sozialstaat kaum ausgebaut ist. Warum ist das so? Alesina und Glaeser 2004 argumentieren: Weil die USA ethnisch so divers sind.

Ihre Hypothese:

Menschen unterstützen andere nicht nur aus egoistischen, sondern aus altruistischen Motiven. Ein egoistischer Grund wäre: Wenn Ärmere keine Hilfen bekommen gibt es soziale Unruhen. Ein altruistischer Grund: Kein Mensch soll unverhältnismäßig Leid erfahren.

Dieser Altruismus existiert in der Lesart von Alesina und Glaeser nur für Menschen, die als Teil der eigenen Gruppe betrachtet werden. Je kulturell & ethnisch diverser, desto weniger Solidarität.

In den vergangenen Jahrzehnten sind immer mehr Menschen, die nicht weiß und christlichen Glaubens sind, nach Europa migriert. Weil unter ihnen die Armuts- und Arbeitslosenquote höher ist, könnte das den Sozialstaat in europäischen Ländern gefährden, argumentieren viele.

In der Tat gibt es einen klaren Zusammenhang:

Je negativer Menschen in Deutschland, Schweden, Frankreich und Großbritannien Migration sehen, desto weniger sind sie dafür, dass der Staat den Lebensstandard von Arbeitslosen sichern sollte.

Mit ihrer Unterstützung für generelle staatliche Umverteilung zum Ausgleich von Ungleichheiten gibt es aber keine Korrelation.

Soroka 2016 dokumentiert, dass in Ländern und in Jahren, in denen Migration höher ist, die Leistungen für Arbeitslose weniger stark steigen. Das betrifft andere Sozialleistungen, von denen mehr Autochthone profitieren, nicht.

In den USA hat Alesina 2020 dokumentiert, dass in Staaten mit mehr People of Color weniger Menschen für Umverteilung sind. Für die USA ist von Tabellini 2020 dokumentiert, dass hohe Migration, die konzentriert auf kurze Zeit passiert, dazu führt, dass der Staat weniger Geld verteilt.

Aber gilt das auch für Europa?

Für Schweden gibt es dazu gute Daten. In den 1980er und 1990er Jahren wurden viele Flüchtlinge im Land verteilt. An Orten, wo von nun an viele Flüchtlinge wohnten, sank die Unterstützung der Bevölkerung für Umverteilung (Dahlberg 2012).

Das betraf aber nur Menschen, die wirtschaftlich abgesichert, also wohlhabend, waren.

Note that in Great Britain, during the period of declining support for means-tested benefits, agreement that it is “the responsibility of the government to reduce income differences between the rich and the poor” remained stable at around 70 percent. In contrast, agreement that it is “the responsibility of the government to provide a decent standard of living for the unemployed” dropped from 85 percent in 1985 to 60 percent in 2016

Ist die „Amerikanisierungs-These“ also korrekt?

Führt Migration dazu, dass in Westeuropa weniger Menschen für den Sozialstaat und Umverteilung sind?

Die Evidenz ist gemischt. Viel wichtiger, ob jemand als Teil der eigenen Gruppe gesehen wird („weiß“, „christlich“) ist in der Lesart der Studie von Cavaillé und Van der Straeten, ob man das Gefühl hat, dass die Person dem Staat auf der Tasche liegt – oder sie sich anstrengt und einen Beitrag leistet. Dann ist Gruppenzugehörigkeit gar nicht mehr so wichtig:

These results suggest that group boundaries are porous: a few years living and working in a country is often enough for a non-White Muslim immigrant to be treated in a hypothetical experimental context as if a native with similar job history.

In Österreich gibt es im europäischen Vergleich besonders viele Menschen, die der Meinung sind, dass Migranten nie die selben Rechte im Sozialstaat bekommen sollten wie hier geborene Menschen.

Wichtig zu unterscheiden ist: In den USA gab es hohe Diversität, bevor ein Sozialstaat hätte existieren können. In Europa war der Sozialstaat schon mindestens zwei Jahrzehnte alt, bevor es nennenswerte Migrationsbewegungen nicht-weißer, nicht-christlicher Menschen gab.

Das macht einen großen Unterschied: Denn wer durch das öffentliche Gesundheits- und Bildungssystem bereits stark profitiert hat und ihm vielleicht sogar seinen gesellschaftlichen Rang verdankt, der unterstützt den Sozialstaat viel eher, auch wenn die Migration steigt.

Noch ein Grund, warum der Vergleich nicht so einfach ist: In den USA sind Sozialleistungen viel häufiger auf Ärmere zugeschnitten. Wohlhabendere Menschen haben dadurch weniger Anreiz, Sozialleistungen zu unterstützen. In Europa, wo mehr Leistungen unabhängig vom Einkommen der Bezieher:innen verteilt werden, verliert die Mittelschicht viel eher auch selbst durch Kürzungen.

Findet nun durch stark gestiegene Migration eine Amerikanisierung Westeuropas statt in dem Sinne, dass der Sozialstaat weniger Unterstützung erfährt?

In den USA sind weiße Bürger:innen mit niedrigen Einkommen gegen den Sozialstaat, obwohl sie selbst davon profitieren würden. Quasi: Hauptsache People of Color bekommen nichts. Hier ist die Evidenz klar: Je diverser, desto weniger Sozialstaat.

In Westeuropa passiert das nicht: Rechtsaußen-Parteien in Frankreich, Großbritannien und Österreich unterstützen den Sozialstaat, versuchen aber Migrant:innen davon auszuschließen. Hohe Migration untergräbt hier also nicht den Sozialstaat, führt aber zu Wohlfahrtschauvinismus.

Während Rechtsaußen-Parteien in den 1980er Jahren oft den Sozialstaat beschneiden wollten, haben sie sich mit ihrer steigenden Beliebtheit heute darauf konzentriert, dass möglichst wenig Menschen, die sie nicht als Teil ihrer eigenen Gruppe sehen, davon profitieren.

Der Zeitpunkt der Migration macht also einen großen Unterschied, wie Migration auf einen Sozialstaat wirkt:

Ist ein Sozialstaat erst einmal eingeführt, gibt es häufig zu viele Menschen, die davon profitieren, dass er so nebenbei wieder abgeschafft werden könnte.

Boticelli, Kunst und Handwerk

Bis 1500 hatten etwa 90 Prozent aller Gemälde einen religiösen Bezug. Die restlichen waren zum Gutteil Porträts wohlhabender Menschen. Mit der Renaissance und u.a. Sandro Boticelli änderte sich das – und aus dem Malen, immer als Handwerk begriffen, wurde Kunst.

Mehr im Video + Folge-Empfehlung für diesen großartigen Kanal:

Evolutionäre Universalitäten

In der aktuellen Ausgabe des Journal of Economic Literature reviewt Samuel Bowles The Dawn of Everything: A New History of Humanity von David Graeber und David Wengrow. Eine spannende Passage daraus:

Some social institutions—private property, markets, states, worship of supernatural beings, social ranking, and sharing the necessities of life among non-kin, for example—have emerged independently and been ubiquitous over long periods of the human experience. Others—polyandry or central economic planning, for example—have been of passing importance, and generally have occupied limited ecological niches. Talcott Parsons termed the former evolutionary universals, by which he meant those ways of ordering society that crop up, persist, and are adopted with sufficient frequency in a variety of circumstances to suggest their general evolutionary viability (Parsons 1964). He offered the convergent evolution of vision in many species as a biological analogy; another would be flight. For society, Parsons identified (among others) money, markets, bureaucracy, social stratification, and liberal democracy as a set of modern social arrangements toward which independent societal trajectories would tend (he predicted the demise of Communist Party rule and central planning in the Soviet Union.) Friedrich Hayek referred to the nexus of markets and private property—his “extended order”—in a similar vein (Hayek 1988).

Über 5.000 Jahre vergingen, in denen es schon Landwirtschaft aber noch keine Aristokratien, ständigen Armeen und Schuldknechtschaft gab.

Graeber and Wengrow similarly overlook plausible and empirically supported hypotheses concerning a period they rightly call out for greater scholarly attention, the “five thousand years in which cereal domestication did not lead to the emergence of pampered aristocracies, standing armies and debt peonage” (p. 523) and the eventual development of heightened levels of inequality among Neolithic farmers. To begin, they do entertain an interesting ecological hypothesis to the effect that early Neolithic growing conditions—farming seasonally flooded land along the Nile and in parts of Mesopotamia—“did not lend themselves to the development of private property” (p. 235) and this might have limited wealth inequality.

Warum sind schlussendlich starke soziale Hierarchien entstanden?

  • Weil Bauern ihre Ernte lagern können. Das können Jäger & Sammler nicht. Essen wurde nicht mehr nur geteilt, sondern privat gelagert und akkumuliert.
  • Durch Landwirtschaft stieg die Produktivität von einem Stück Land enorm. Das erhöhte den Anreiz, dieses Stück Land gegenüber anderen abzugrenzen und mit Gewalt zu verteidigen.
  • Durch den Pflug stieg die Produktivität von Land (= Kapital) gegenüber Arbeit. Der wertvollste Input für mehr Einkommen – Land = Kapital – konnte nun akkumuliert und über Generationen vererbt werden. Reine Arbeitskraft kann man nicht vererben.

Mit dem Effekt:

These three transformations—storage, private property in land, and a labor-saving innovation—appear to have provided an economic environment in which what the archaeologist Ian Hodder called the “aggressively egalitarian community” eventually gave way to extraordinary levels of wealth inequality in the Bronze Age in western Eurasia (Hodder 2014, p. 1).