Ein Kind zu bekommen ist für viele das schönste Ereignis im ganzen Leben. Es ist aber auch Stress, Druck, Überforderung. Die große psychische Belastung zeigt jetzt eine neue Studie. Mama und Papa zu werden erhöht die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva zu nehmen, stark.
Neun Jahre nach der Geburt des ersten Kindes ist die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva zu nehmen, bei Frauen um fünf Prozentpunkte höher. Bei Männern ist sie um 2,1 Prozentpunkte höher. Das liegt wohl daran, dass Frauen sich im Schnitt mehr um die Kinder kümmern als Männer.
In Dänemark sind die Effekte niedriger, aber auch vorhanden. Bei Frauen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva verschrieben zu bekommen, mit dem ersten Kind um 2,8 Prozentpunkte, bei Männern um 0,8 Prozentpunkte. In Österreich ist die Differenz zwischen Mann und Frau 0,8 Prozentpunkte höher als in Dänemark.
Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern liegen, so die Autoren, NICHT an der postnatalen Depression … … und auch nicht daran, dass Männer nicht zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Sondern daran, dass Mütter die größere Last der Kindererziehung & Mental Load übernehmen.
Um den Stress von Eltern zu nehmen könnte man jetzt sagen: Lasst ihnen eine längere Karenzzeit. Aber die Evidenz legt nahe, dass das kontraproduktiv ist und die Verschreibung von Antidepressiv erhöht! Dafür gibt es sogar ein natürliches Experiment: Österreichs Reform aus 2000.
Die Karenzzeit wurde damals von 18 auf 30 Monate erhöht. Im Schnitt nahmen Frauen danach 9 Monate mehr Karenz als Männer. Die Verschreibung von Antidepressiva stieg durch die Reform an. 1 Jahr mehr Karenz sorgt im Schnitt für 0,6-0,8 mehr Jahre mit Antidepressiva (enorm!).
Eine potenzielle Erklärung, so schreiben die Autoren: Länger in Karenz zu sein verstärkt womöglich traditionelle Gender-Rollen. Die Mutter bleibt dann stärker darin verhaftet, zu einem Großteil für die Kinder verantwortlich zu sein. Das erhöht den Stress & macht manche krank.
Dass es da nicht „nur“ um postnatale Depressionen ein paar Monate nach der Geburt geht zeigt Dänemark. Hier gibt es gute langfristige Daten. Auch 20 Jahre nach der Geburt ist der Effekt noch deutlich zu sehen und steigt sogar weiter an. Aber nur bei Müttern, bei Vätern nicht.
Hier die Studie:
Wichtige Bemerkung der Autoren: Sie beschäftigen sich nur mit den negativen Effekten des 1. Kindes auf psychische Krankheiten der Eltern. Auf Freude & Erfüllung, die damit einhergehen, sind sie nicht Fokus der Studie.
Ob Menschen mit Kindern im Schnitt glücklicher sind als Menschen ohne Kinder würde mich interessieren. Habe dazu u.a. diese Studie gefunden, aber noch nicht gelesen: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24491021/
***
Noch ein paar Side facts aus der Studie: Die durchschnittliche mentale Gesundheit in Österreich liegt bei 67.5 (0 = schlecht, 100 = gut). In Dänemark bei 71.3 15 Prozent sagen, sie suchten die vergangenen 12 Monate Hilfe bei psychologischen Problemen In DEN: 17%
In Österreich & Dänemark gibt es pro Jahr etwa 7 Suizide unter 100.000 Frauen. Bei Männern sind es in Österreich 24.1, in Dänemark 19.6 Suizide pro 100.000.
Frauen im Alter von 25-54 sind in Österreich zu 85,1 Prozent erwerbstätig. In Dänemark sind es 82,9 Prozent. Der Teilzeitanteil in Österreich ist aber deutlich höher als in Dänemark. In Österreich dauert die Karenz bis zu 35 Monate, in Dänemark nur 8 Monate.
Und wenig überraschend haben in Österreich viel mehr Menschen ein konservatives Familienbild. 35% der Männer in Österreich sagen, eine arbeitende Mama kann eine gute Beziehung zum Kind haben. In Dänemark sind es 61 Prozent der Männer.
25-27% in Österreich sagen, dass ein Kind darunter leidet, wenn es im Vorschulalter nicht zuhause ist. In Dänemark sagen das nur 6 Prozent der Leute. 24-26 Prozent in Österreich sagen, dass Familienleben leidet darunter, wenn die Mutter arbeitet. In Dänemark sagen das 8%