Ich bin jung, interessiert, Akademiker und verdiene mehr als viele Österreicherinnen: Eigentlich hättet ihr jeden Grund, mir die Tür einzurennen. Ich bin euer idealer Kunde, mir Werbung zu verkaufen bringt relativ viel Geld – und ich bin ziemlich einfach für Abos ansprechbar.
Scheinbar bin ich euch aber egal. Um das zu erklären, muss ich kurz ausholen.
Ich bin seit knapp einem halben Jahr in Karenz. Die Jahre zuvor habe ich jeden Tag das Morgenjournal gehört, einige Zeitungen gelesen, Stunden auf Twitter und in Blogs verbracht und am Abend manchmal noch die ZiB2 geschaut. Als Journalist war das mein Job.
Es musste mich keiner abholen, ich bin von alleine gekommen.
Jetzt ist das anders. Mein Nachrichtenkonsum hat sich radikal reduziert. Er ist trotzdem noch drei Mal so hoch wie bei den meisten anderen, glaube ich. Ich interessiere mich weiterhin sehr dafür, was auf der Welt los ist. Nur kommen die Nachrichten jetzt zu mir.
Manchmal, aber immer weniger, mache ich noch eine App auf. Dann stolpere ich über den dritten Weiterdreher zu einem Thema, von dem ich wenig mitbekommen habe und daher nichts verstehe, und muss mich durch viele Artikel wühlen, die mich wenig interessieren.
Lieber sind mir Nuzzel, Newsletter und Podcasts. Das sind meine drei wichtigsten Quellen um auf dem Laufenden zu bleiben.
Nuzzel ist eine großartige App, mit der ich jeden Abend etwa eine Stunde verbringe. Sie zeigt mir, welche Artikel am häufigsten in meiner Timeline auf Twitter geteilt wurden (oder in der von anderen Usern oder Listen, die ich mir erstellt habe). Es ist quasi eine perfekt auf meine Interessen zugeschnittene Zeitung.
Newsletter landen im Stundentakt in meiner Inbox. Die New York Times meldet sich bei mir, wenn es Neues über den Klimawandel (Climate Fwd), Außenpolitik (The Interpreter) und Tipps fürs Leben gibt (Smarter Living), die Financial Times schreibt mir, was sich in Lateinamerika tut (LatAm Vida), der Chefredakteur des Wall Street Journal ordnet die zehn wichtigsten Geschichten des Tages ein (The 10-Point).
Podcasts höre ich jeden Tag. Die Leute von Vox.com diskutieren über Entwicklungen in den USA, Slate über Wirtschaft und die Finanzwelt, der Guardian liefert mir neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft in meine Podcasting-App, Monocle tiefe Analysen über die Weltpolitik.
Es ist nicht so, dass es hierzulande nicht auch Ausnahmen gäbe. Der Standard meldet sich jeden Tag via WhatsApp, er hat einen guten Politik-Newsletter, der Falter einen grandiosen Podcast. Über Nuzzel stoße ich immer wieder auf Geschichten von Standard oder Kurier, die viel geteilt werden.
Gleichzeitig gibt es ein paar Journalisten, die mich immer wieder in ihr Medium ziehen. Florian Klenk bringt mich mit seinen Facebook-Posts dazu, jedes Mal zum Falter zu greifen. Armin Wolf lässt mich durch seine Tweets manchmal sogar den Fernseher aufdrehen.
Aber unter dem Strich – jetzt mal ehrlich – soll das alles sein?
Profil, wo bist du? Ich habe dich bis vor kurzem jede Woche gelesen, aber jetzt seit fünf Monaten nichts mehr von dir gehört. Das ist schade.
Presse, ich liebe dich! Ehrlich, ich bin ein Riesenfan! Aber ich habe keine Lust, auf deine Seite zu schauen. Melde dich doch mal bei mir.
Ö1, ihr habt die besten Radiosendungen weit und breit! Aber fast nichts davon lässt sich über meine Podcast-App hören. Extra in die App zu gehen ist mir fast immer zu mühsam. Ich höre fünf Mal so häufig den Deutschlandfunk wie euch. Sie machen es mir einfacher.
ORF, ich bin mir sicher, du steckst voller toller Sendungen und Filme. Und ganz ehrlich, ich hätte gerade auch die Zeit, sie mir anzusehen. Aber ich kriege ganz selten etwas von dir mit.
Ok, ich weiß schon, was ihr jetzt denkt. Schau doch einfach auf unsere Seite. Kauf dir das Magazin. Such doch. So schwer ist das nicht.
Leider, doch. Zugegeben, ich bin ein fauler Sack. Aber die Welt ist voller fauler Säcke. Viele in meinem Alter ticken ähnlich. Ein Klick zu viel ist einer zu viel. Mir reicht oft schon, dass ich mich auf diepresse.com einloggen muss, und ich bin wieder weg.
All die faulen Säcke sind eure potenziellen Kunden. Für die ihr heute viel zu wenig tut.
Wenn ihr wollt, dass ich euch lese, höre oder sehe, müsst ihr schon zu mir kommen.
I miss you.
Bild-Copyright: Markus Hein / pixelio.de