Zehn Dinge, die ich über das Podcasten gelernt habe

Podcasts erobern langsam die Welt. Weil ich ein großer Fan bin, habe ich vor gut einem halben Jahr meinen eigenen gestartet:  „Nachfrage – der Interview-Podcast“. Ohne Konzept und technisches Know-how, schlicht um Erfahrungen zu sammeln. In Österreich liegt der Markt noch brach. Das ist schade, denn Podcasts sind nicht nur für etablierte Medien interessant. Alle, die etwas zu sagen haben, können sich damit relativ simpel eine Bühne verschaffen. Vielleicht helfen diese zehn Punkte künftigen Podcastern in Österreich – oder wo auch immer ihr einen starten wollt.

  1. Kein anderes Medium schafft so eine Bindung. Ein authentisch gemachter Podcast schafft eine persönliche Beziehung zum Hörer. Wer regelmäßig die gleiche Stimme hört, gewöhnt sich an sie und lernt ihr im besten Fall zu vertrauen. So geht es mir etwa mit Ira Glass, Stephen Dubner oder Krista Tippett. Medien, denen Werbeerlöse weg brechen, können sich so treues Publikum schaffen. Aus dem vielleicht später einmal Abonnenten oder Crowdfunder werden.
  2. Ihre Zeit ist gekommen. Für das Fernsehen gibt es Netflix. Die Musik-Industrie hat Spotify. Podcasts sind die Antwort des 21. Jahrhunderts auf das Radio. Junge Leute suchen sich gerne selbst aus, was sie wann hören. Alle besitzen Handys, neue Autos Bluetooth. Wenn das Angebot an deutschen Formaten wächst, springen auch mehr Österreicher auf. Ich bin mir sicher.
  3. Wie viele hören Podcasts? Für Österreich gibt es keine Daten. Wahrscheinlich etwas weniger oder ähnlich viele wie in Deutschland. Dort hören etwa 3 Millionen Menschen einmal die Woche einen Podcast (knapp 4%, das wären in Österreich 300.000). Bei den Jungen ist die Quote höher, sie liegt bei den 14-29-Jährigen bei 10% (sie machen die Hälfte der Hörer aus). Zum Vergleich: 15% der Amerikaner hören wöchentlich Podcasts, also vier Mal so viele wie in Deutschland. Populäre Shows werden einige Millionen Mal heruntergeladen.
  4. Podcasts sind noch eine Nische. Selbst in den USA. 40 Prozent der Amerikaner haben das Wort „Podcast“ noch nie gehört. Weitere 20 Prozent haben sich noch nie eine Podcast-Folge heruntergeladen. Bleiben 40 Prozent, von denen nicht einmal die Hälfte regelmäßig einen Podcast konsumiert. Es geht aber nach oben: Die Zahl der regelmäßigen Hörer hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Sie sind im Schnitt jünger, gebildeter und wohlhabender.
  5. Die Technik ist keine Hexerei. Anfangs habe ich meine Interviews mit einem iPhone 6S aufgenommen. Die Qualität ist gut, ich rate euch aber zum Kauf eines Ansteckmikros. Ein Interviewpartner hat sich einmal nur ein bisschen zurückgelehnt und war alleine deshalb nur mehr schwer zu verstehen. Seit einiger Zeit verwende ich ein Zoom H4N, das Teil ist ziemlich alt, aber trotzdem gut. Wenn mehr als eine Person spricht, ermöglichen euch Ansteckmikros auf zwei Kanälen (Stereo) aufzunehmen. Das macht die Bearbeitung des Files nachher viel einfacher. (Mehr Tipps hier und hier.)
  6. Das mit dem Sprechen ist so eine Sache. Podcasts haben eine eigene Sprache, lockerer als im konventionellen Radio. Viele wirken, als würden alte Freunde plaudern. In meinem Podcast spreche ich zu Beginn immer nur um die 3 Minuten, in denen ich die Folge vorstelle. Ich bin eher ein Mann des geschriebenen Textes, das hört man auch. Besonders in den ersten Folgen, die mir heute zugegeben ein bisschen peinlich sind. Sprechtraining eignet sich für Podcasts aber nur eingeschränkt, denke ich (was mir auch ein Podcast-liebender TV-Moderator bestätigt hat). Das wirkt schnell gekünstelt. Wichtig ist, klar zu sprechen, seinen Stil zu finden und die Gabe einer sympathischen Stimme zu besitzen. Tipp: Nichts ablesen, immer frei sprechen.
  7. Das Schneiden ist ziemlich easy. Zumindest wenn es um die Basics geht (und mehr habe ich nach wie vor nicht drauf). Anfangs habe ich Audacity verwendet, eine gratis Software. Seit einiger Zeit nutze ich aber Hindenburg Journalist, der heiße Scheiß in der Podcast-Szene und eines der am einfachsten zu bedienenden Programme, das ich kenne. Normalerweise kostet es $80, am World Radio Day (13.2.) gab es die Software aber um $2 zu kaufen. Warten könnte sich also lohnen. (Mehr Tipps hier.)
  8. Wo man seine Dateien hosten kann. Ich nutze derzeit Soundcloud Pro Unlimited, um meine Audio-Files zu hosten. Dafür zahle ich 90 Euro im Jahr und habe unbegrenzten Speicher. Wer in Summe mehr als 3h hochlädt, muss zahlen. Vorher habe ich Podigee probiert, das in der Podcasting-Community sehr beliebt ist (bei längeren Files aber schnell teuer wird). Ganz zu Beginn habe ich meine Files auf meinem eigenen Server gehostet und mit WordPress einen RSS-Feed erstellt (das Plugin Podlove ist für diesen Fall in der Community beliebt, ich habe es aber nicht probiert). Zu Soundcloud bin ich, weil mir auf meinem eigenen Server der Platz ausgegangen wäre. Wenn ihr einen RSS-Feed habt, ladet ihn auf iTunes hoch (das geht schnell).
  9. Das mit den Statistiken ist auch so eine Sache. Erstaunlicherweise wissen wir Podcaster nicht recht viel mehr über unsere Konsumenten als herkömmliche Radios oder Printmagazine – obwohl das Medium Internet viel mehr zu bieten hätte. Die Währung am Markt sind Downloads. Ob die Episode dann überhaupt angehört wird, weiß keiner; geschweige denn, wie lange die Leute zuhören. Apple, das mit iTunes die mit Abstand wichtigste Plattform für den Markt bietet, dürfte aber – Gott sei Dank – bald Abhilfe schaffen. Bis dahin muss man mühsam tracken, ich mache es so: Meinen Soundcloud-RSS-Feed habe ich via Feedburner in einen neuen Feed umgewandelt. Diesen habe ich dann auf iTunes geladen. Feedburner zählt die Downloads pro Folge (ähnlich wie Podtrac, das in den USA sehr beliebt ist und ich zur Kontrolle benutze – die Zahlen sind fast deckungsgleich). Feedburner liefert auch eine Annäherung an die Zahl der Abonnenten. Es misst, wie oft der Feed abgerufen wird. Nur eine Annäherung ist es deshalb, weil die Zahlen stark schwanken. Wer den Podcast abonniert, iTunes aber 24h lang nicht öffnet, wird beispielsweise nicht gezählt. Am Wochenende gehen die Zahlen zeitweise plötzlich stark zurück. Die Zahl der Abonnenten ist aber nicht so relevant: mehr dazu hier.
  10. So viele Leute hören mir zu. Mit meinen letzten sechs Episoden komme ich seit März gesamt auf etwa 10.000 Downloads (für die vorherigen drei habe ich keine verlässlichen Zahlen, weil ich Feed und Anbieter gewechselt habe). Das sind im Schnitt gut 1.600 Downloads pro Folge. Etwas weniger als die Hälfte der Leute hören über eine Podcast-App zu. Die meisten kommen über die vorinstallierte iPhone-App, nur ein Fünftel hört die Folge innerhalb von 24h nach Upload. Wer über keine Podcast-App kommt, hört über Soundcloud, Soziale Medien oder den eingebetteten Player in den Interviews auf derStandard.at zu (ein Beispiel). Feedburner sagt mir, dass etwa 600 Leute am Tag meinen Feed abrufen. Die letzten beiden Folgen haben jeweils 800 Leute über eine Podcast-App heruntergeladen. Irgendwo da liegt wohl auch die Zahl meiner Abonnenten. Jedenfalls stimmen mich die Statistiken optimistisch: Mein Podcast erscheint unregelmäßig (schlecht!), ist amateurhaft produziert (learning by doing), besteht aus stundenlangen Interviews mit Wissenschaftern (Nische!) und wird quasi nicht beworben. Wenn hier schon gar nicht so wenige Leute zuhören, dann ist in Österreich auf jeden Fall Potenzial da.

Es gibt auch ein Podcasting-Meetup in Wien – mit wirklich coolen Leuten.

Mehr Tipps: Eine großartige Übersicht über das Podcasting-Business hat Ken Doctor geschrieben. Ira Glass, der Godfather des Podcasting, erklärt in diesem Artikel wie ein Narrative Podcast funktioniert. Wie er arbeitet, hat er hier beschrieben. Der ebenfalls geniale Alex Blumberg, Gründer des Podcasting-Studios Gimlet, erklärt hier, wie man eine Audio-Story macht und richtig interviewt. Hier findet ihr noch Tipps von den Machern von This American Life. Die tolle Seite transom.org – die ihr euch merken solltet – hat die Basics des Podcastens in einer 5-teiligen Serie beschrieben.
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